1. Was sind die Ziele des Insolvenzverfahrens?
Mit Wirkung zum 01.01.1999 ist die Insolvenzordnung in Kraft getreten, die zwischenzeitlich schon wieder mehrfach verbessert und in Teilbereichen reformiert wurde.
Das Insolvenzverfahren hat den Zweck, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird
oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird, vgl. § 1 InsO.
Der redliche Schuldner hat die Chance, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.
1.1. Zählt auch der Erhalt des Unternehmens?
Der Unternehmenserhalt tritt ausdrücklich gleichberechtigt neben den Gesetzeszweck der Vermögensabwicklung.
1.2. Was ist das Gegenstück zum Erhalt des Rechtsträgers?
Bei der in der Vergangenheit vorrangig gelebten übertragenden Sanierung gibt es keine Sanierung des Rechtsträgers und Überleben für das alte Unternehmen.
Die übertragende Sanierung knüpft an die Möglichkeit der Trennung des Betriebs vom Rechtsträger an.
Der Altrechtsträger verkauft an eine neue Gesellschaft (überträgt) alle nötigen Vermögensgegenstände. Das bisherige Unternehmen wird gerade nicht saniert
Der Sache nach ist das aber eine Abwicklung durch Gesamtvollstreckung.
Die bisherigen Unternehmen werden in der Insolvenz häufig längere Zeit vom Verwalter fortgeführt. Mit einem Insolvenzplan besteht die Chance, das Unternehmen zu erhalten.
Durch die Insolvenzrechtsreform sollte die Sanierung und die Fortführung erheblich unterstützt und verbessert werden.
2. Was ist ein Insolvenzplan?
Der Insolvenzplan war das Kernstück der Insolvenzrechtsreform zur Deregulierung des Insolvenzverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerautonomie.
Der Insolvenzplan ist ein Vorschlag, abweichend von der Regelverwertung (Zerschlagung, übertragende Sanierung) eine andere, vorteilhaftere und wirtschaftlich sinnvolle Lösung zu finden. Aber es besteht kein Zwang zur Sanierung. Alles ist möglich.
3. Wie ist der Grundaufbau des Insolvenzplans?
- Darstellender Teil
(Beschreibung, welche Maßnahmen bereits getroffen worden und noch zu treffen sind und Daten des Unternehmens, Insolvenzursachenanalyse, wirtschaftliche Lage, Konzepte) - Gestaltender Teil
(Festlegung, wie die Rechtsbeziehung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll, § 221 InsO; nur dieser Teil des Insolvenzplans erwächst in Rechtskraft)
Der Planersteller (Verwalter oder Schuldner) stellt die Verhältnisse in einem darstellenden Teil dar und unterbreitet einen Vorschlag, der sich im gestaltenden Teil findet.
Es dürfen verschiedene Gruppen gebildet werden.
Die Gruppenbildung war eines der Kernstücke der Insolvenzrechtsreform.
Gemäß § 222 InsO ist die Bildung von Gruppen obligatorisch.
- Absonderungsberechtigte, in deren Rechte eingegriffen wird, § 222 Abs.1 Nr.1 InsO
- Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO (normale Insolvenzgläubiger)
- nachrangige Insolvenzgläubiger gemäß § 222 Abs.1 Nr.3 InsO
Darüber hinaus ist die Bildung von fakultativen Gruppen möglich, § 222 Abs.2 InsO, soweitsachgerechte Abgrenzungskriterien erfüllt sind. Denkbar sind:
- Gruppe der Arbeitnehmer, § 222 Abs.3 Satz 2 InsO
- Gruppe der Lieferaten
- Gruppe der Kleingläubiger, § 222 Abs.3 Satz 1 InsO
- Gruppe mit Bundesagentur für Arbeit
- Gruppe Steuergläubiger
Eine ungerade Anzahl der Gläubigergruppen ist sinnvoll, da ja die Mehrheit der Gruppen zustimmen soll/muss.
4. Gibt es auch Gläubiger mit Mehrfacheinordnung in Gruppen?
Für Gläubiger ist auch eine Doppel- oder Mehrfacheinordnung möglich.
Die Bank kann z.B. in zwei verschiedenen Gruppen sein:
- mit einem Ausfall
- als Absonderungsberechtigter
Beispiel Absonderungsrechte als Sonderfall
Gläubiger hat Forderung von 100.000,00 EUR und eine eingetragene Grundschuld über diesen Betrag. Ist das Sicherungsgut weniger wert: in jedem Fall Teilnahme mit der Ausfallforderung in der Gruppe der Insolvenzgläubiger, bzw. zusätzlich in der Gruppe der Absonderungsberechtigten. Also Teilnahme in zwei Gruppen.
5. Wie ist der Verfahrensablauf und wie wird über den Insolvenzplan abgestimmt?
5.1. Verfahrensabschnitte
Das Insolvenzplanverfahren gliedert sich in vierzehn Verfahrensabschnitte
- Planinitiative, vgl. § 218 InsO - also der "Impuls" zum Insolvenzplan erfolgt durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter
- Insolvenzplanauftrag, § 270 ff. InsO muss erteilt werden
- Insolvenzplanerstellung
- Vorprüfung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht
(Das Insolvenzgericht hat den Insolvenzplan zurückzuweisen, wenn er die gesetzlich definierten Anforderungen nicht erfüllt, § 231 InsO). - Einholung von Stellungnahmen unter Fristsetzung
(Nach der gerichtlichen Vorprüfung sind gemäß § 232 Abs.1 InsO zwingend die Stellungnahmen einzuholen von dem
- Gläubigerausschuss
- Betriebsrat
- Schuldner (wenn Insolvenzverwalter einen Insolvenzplan vorlegt) - Aussetzung von Verwertungs- und Verteilungsmaßnahmen
( Der Schuldner oder der Insolvenzverwalter haben die Möglichkeit, dem Insolvenzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse vorzulegen, wenn die Verwertung die Durchführung des Insolvenzplans gefährden würde) - Niederlegung des Insolvenzplans
Der Insolvenzplan ist mit seinen Anlagen und etwaigen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen, § 234 InsO) - Ladung gemäß Ladungspflicht
zur Teilnahme am Erörterungs- und Abstimmungstermin, § 235 Abs.3 InsO - Gläubigerrundschreiben und Einholung Stimmrechtsvollmachten
- Erörterungs- und Abstimmungstermin, § 253 InsO
(Die Entscheidung über den Insolvenzplan findet in einem meist gleichzeitig stattfindenden Erörterungs- und Abstimmungstermin vor dem Insolvenzgericht statt). Der Termin wird öffentlich bekanntgegeben - Stimmrechtsfestsetzung
Nach der Erorterung und Vor der Abstimmung über den Insolvenzplan erfolgt die Stimmrechtsfestsetzung. Das Stimmrecht der Insolvenzgläubiger entspricht den Vorschriften über das Stimmrecht der Gläubiger bei der Beschlussfassung in der Gläubigerversammlung, § 237 Abs.1 S.1 i.V.m. § 77 Abs.1 Satz 1, 2,3 Nr.1 InsO - Gerichtliche Protokollierung und Verkündung des Schlusses der Abstimmung
Das Ergebnis der Abstimmung wird in einem Protokoll des Insolvenzgerichts festgehalten und am Ende des Abstimmungstermins der Schluss der Abstimmung bekanntgegeben - Planbestätigungsverfahren, §§ 243 bis 248 InsO
Der Plan bedarf nach der Annahme des Plans durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners zum Insolvenzplan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht, d.h. das Gericht entscheidet, ob der Plan mit den notwendigen Mehrheiten angenommen worden ist bzw. fehlende Zustimmungen durch das Obstruktionsverbot überspielt werden §§ 248 bis 253 InsO. Die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht ist zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Plans. - Aufhebung des Planverfahrens und ggfl. Planüberwachung (§ 258 ff. InsO)
Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses
5.2. Abstimmung über den Insolvenzplan
Die Abstimmung erfolgt in jeder der im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegten Gruppe ( §§ 22, 243 InsO).
In jeder Gruppe wird im Abstimmungstermin vor dem Insolvenzgericht gesondert abgestimmt, Mehrheitserfordernisse in jeder Gruppe sind:
- Kopfmehrheit (mehr als 50 %)
- Summenmehrheit (mehr als 50 %)
Entscheidend ist die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger. Es ist die doppelte Mehrheit notwendig. Es soll verhindert werden, dass ein wirtschaftliche sinnvoller Plan durch den Widerstand einzelner Gläubiger scheitert (sogenanntes Obstruktionsverbot).
Das Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO bezweckt die Sanktionierung missbräuchlichen Abstimmungsverhaltens und soll verhindern, dass ein Plan durch das negative Votum einer Gruppe blockiert wird, obwohl er insgesamt gleichwertige oder sogar bessere Ergebnisse als bei Regelabwicklung ermöglicht.
Das Ergebnis: Wenn mehr als die Hälfte der Gruppen, aber nicht alle zustimmen. ist
dies ausreichend für die Fiktion der Zustimmung gemäß § 245 InsO.
Das heißt: wenn die Mehrheit der Gruppen zustimmt, kommt der Plan zustande.
Es wird die Ablehnung als Zustimmung gewertet, wenn die ablehnenden Gruppen mindestens so stehen, wie sie auch bei einem Regelabwicklungswert stünden und eine angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Wert der Planregelung gegeben ist.
6. Gibt es einen Minderheitenschutz und besteht die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger?
6.1. Allgemeines
Die Gruppen können –interessengerecht- unterschiedliche Beträge durch den Plan erhalten.
Nur innerhalb der Gruppe gibt es grundsätzlich gleiche Leistungen.
Nach § 226 Abs.2 S.1 InsO ist eine Ungleichbehandlung der Anhörigen einer Gruppe insoweit zulässig, als diejenigen Gläubiger, die von der Ungleichbehandlung betroffen sind, der durch den Plan vorgesehen Regelung zustimmen. Nach Ansicht des Gesetzgebers wird im Interesse der Rechtsklarheit verlangt, dass in diesem Fall dem Plan die Zustimmungserklärungen der Betroffenen als Anlagen beigefügt werden, vgl Smid /Rattunde Der Insolvenzplan, 2. Auflage 8.3. S. 181 und Amtl. Begründung zu § 269 RegEInsO, BT-Drucks. 12/2443, 201.
6.2. Verbot der Schlechterstellung
Gläubiger der nicht zustimmenden Gruppe dürfen durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Insolvenzplan stünden, § 245 Abs.1 InsO.
6.3. Obstruktionsverbot
Das Obstruktionsverbot gemäß § 245 InsO gewährleistet auch, dass keine negativ votierende Gruppe schlechter steht, als eine rechtlich gleichrangige Gruppe.
§ 245 InsO regelt alos auch ein relatives Schlechterstellungsverbot.
Es geht um einen Vergleich zu denjenigen Gläubigern, denen ohne Insolvenzplan eine gleich hohe Befriedigung wie der den Plan ablehnenden Gruppe zustünde.
6.4. Salvatorische Klausel
Vorsorgend werden in Insolvenzpläne oft sogenannte salvatorische Klauseln eingefügt, die unter Beachtung des Gläubigergleichbehandlungsgebotes nach § 226 InsO jedem Gläubiger, der durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt wird, einen Anspruch auf Ausgleich der Differenz zu dem Ergebnis, das er bei Abwicklung des Insolvenzverfahrens erhalten hätte, gewährt. Dies wird gepaart mit einer Ausschlussfrist für die Klageerhebung.
7. Wie kann das Insolvenzplanverfahren zeitlich optimiert werden?
Der Insolvenzplan kann zum Eröffnungsantrag bzw. zur Verfahrenseröffnung vorliegen:
- der vorbereitete Insolvenzplan in Kombination mit dem Antragsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Strategie
- das Insolvenzgericht kann die Ladung zum Erörterungs- und Abstimmungstermin unter Einhaltung einer Mindestfrist von sechs Tagen bekannt machen
- es ist keine Mindest-Niederlegungsfrist bei Gericht vorgegeben.
Die Niederlegung soll nicht über einen Monat hinaus terminiert werden.
Nach Annahme des Insolvenzplans im Abstimmungstermin sind die Verfahrensbeteiligten gehalten, auf die beschleunigte rechtskräftige Planbestätigung und Schlussabwicklung des Insolvenzverfahrens hinzuwirken.
8. Wie können Gläubiger im Planverfahren Einfluss nehmen?
- Auswahl des Insolvenzverwalters oder Sachwalters - Vorschlag und Mitwirkung
- Einflussnahme auf die Plangestaltung
- Planinitiativrecht durch Beauftragung des Verwalters
- Sonstige Gläubigerrechte
- Beratende Mitwirkung
- Information und Stellungnahme
- Einsichtnahme
- Erörterung und Abstimmung
- Planänderung
- Rechtsbehelf (sofortige Beschwerde)
- Gruppeninteressen
9. Was sollte vor Einleitung eines Planverfahren geklärt werden?
- Strategie
- Was will ich ?
- Was ist möglich ?
- Ausfallrisiken
- künftige Geschäftserwartungen
- Haftungsrisiken
- öffentlicher Druck
- Was ist das pfändbare Einkommen und Vermögen (bei natürlichnen Personen)
- Was kann von dritter Seite zur Besserstellung der Gläubiger erbracht werden?
10. Welche Entscheidungsalternativen der Beteiligten bestehen ?
- Liquidation
- Sanierungsversuch
- Normalverfahren
- Insolvenzplan mit folgenden Erscheinungsformen:
- Sanierungsplan
- Liquidationsplan
- Übertragungsplan
- Eigensanierungs- und Reorganisationsplan
- Stundungsplan
- Mischform
11. Welche Fälle sind für ein Insolvenzplanverfahren geeignet? (Beispiele)
- Verlust der Lizenzrecht
- Zulassungen
- Rufschädigung
- Wiederherstellung des Rufs und der Bonität
- Die fehlgeschlagene Investition, die nicht aus den laufenden Erträgen amortisiert werden kann
- Die zu groß geratene Wohn- und Gewerbeimmobilie
- Die durch die Insolvenz entstandene Einsicht bei den Gläubigern, dass nur der Verzicht noch etwas erhält.
Insolvenzplanverfahren mit Eigenverwaltung setzt das Vertrauen des Gerichts und der Gläubiger voraus. Bei der Eigenverwaltung bleibt die bisherige Geschäftsleitung "am Ruder" und steht unter Aufsicht eines bestellten Sachwalters.
- Eigenverwaltung ist nach außen klares Signal in Sachen Fortführung und Sanierung
- Typische Konstellation bei Eigenverwaltung weil regelmäßig im Insolvenzplan die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und Befriedigung der Gläubiger aus den Erträgen vorgesehen wird.
- Optimale Nutzung der schuldnerischen Sachkenntnis
- Kein Verwalter als "Unternehmer"
- Steuerlicher Vorteil, weil die Umsatzsteuer im vorläufigen Verfahren keine Masseverbindlichkeiten darstellen (str.)
12. Schlussbemerkung
Das Planverfahren ist zwischenzeitlich auf Grund der erzielten Erfahrungen der Insolvenzgerichte und der Fachanwälte/Insolvenzverwalter/Sanierungsberater, sowie der Reformen des Gesetzgebers bezüglich der besseren Durchführbarkeit von Planverfahren ein wirkungsvolles Werkzeug der Sanierung geworden, das nicht nur für Großverfahren geeignet ist, sondern auch für kleine und mittelständische Firmen - ja sogar für Selbständige und Einzelunternehmer. Der Plan ist also nicht nur ein Instrument zur Sanierung von Unternehmen, sondern auch ein Instrument zur Sanierung des Selbständigen oder Unternehmers, der oft persönlich haftet aus Bürgschaften oder anderen Verpflichtungen.
Der Erfolg eines Insolvenzplan hängt von Folgendem ab:
- Fortführungsmöglichkeit
- Finanzierbarkeit der Fortführung
- Sanierungsfähigkeit
- Markt für Produkt oder Dienstleistung
- Kunden können erhalten oder neu akquiriert werden
- seriöse und kompetente Geschäftsleitung
- Chemie zwischen Planersteller, Unternehmer und den Hauptgläubigern
- Verhandlungsgeschick und Erfahrung des Planerstellers
- Kooperation der maßgeblichen Beteiligten
- gute Mitarbeiter des schuldnerischen Unternehmens
- Finanzierung des Planes bzw. Finanzierbarkeit
- Investor
(günstig ist oft ein externer Investor, der sich beteilgt und Geld und Ideen einbringt) - Glück
Wir haben schon viele Planverfahren erfolgreich begleitet/durchgeführt, zahlreiche Sonderprobleme in Planverfahren bewältigt und freuen uns, wenn Sie Kontakt zu uns aufnehmen und wir sie unterstützen dürfen.